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| Jonglieren für Geld |
Um nach all den tollen Reiseberichten auch mal wieder den Alltag widerzuspiegeln, folgt heute ein Bericht über die Armut in Mexiko. Für uns ist diese (leider) alltäglich geworden und hat sich in unseren Alltag eingeschlichen, so dass wir nicht mehr allzu sehr vor den ärmlichen Zuständen erschrecken. Man hat sich daran gewöhnt... Als wir vor über sechs Jahren in das Land kamen, hatten wir das Gefühl, dass in unserem mexikanischen Dorf die Armut geringer war. Meistens sahen wir in den Großstädten wie Puebla oder Mexiko City die Menschen an den Straßen betteln und auf der Straße leben. Seit der Corona-Pandemie hat sich aber auch hier in Atlixco die Situation verschlechtert, so dass man nun an fast jeder Kreuzung auf Bettler trifft.
Kleine Kinder jonglieren während der Rotphase mit Bällen oder machen Purzelbäume auf dem heißen Teer, um dann an der Autoscheibe um einige Pesos zu betteln. Diese warten schon regelrecht auf unser Auto, da sie wissen, dass sie hier Geld bekommen.
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| Betteln mit Babys |
In letzter Zeit kamen aber auch indigene Mexikaner aus noch ärmeren Bundestaaten wie Chiapas und Oaxaca in unser Dorf, um an Geld zu gelangen, da die wirtschaftliche Lage im Land seit Beginn der Pandemie katastrophal ist. Die Men-schen müssen ohne staatliche Hilfen überleben und eine Grundversorgung wird auch nicht - wie etwa durch Kinder-geldzahlungen - gesichert.
Häufig werden Babys und Kleinkinder zum Betteln eingesetzt, da dies einen emotional "aufweicht" und man eher bereit ist, Geld zu spenden. Eigentlich wird darauf hingewiesen, dies nicht finanziell zu unterstützen, da den Babys häufig Schlaf-mittel oder Drogen verabreicht werden, damit sie den ganzen Tag ruhig auf dem Rücken der Mütter hängen. Doch wie soll man den bettelnden Müttern die Hilfe in diesem Augenblick verweigern? Es ist sehr schwierig und v.a. auch endlos, da an jeder Ecke wieder neue Bedürftige auf Geld hoffen.
Manche bedürftige Personen kennen uns schon seit unserer Anfangszeit in Mexiko und in all den Jahren hat sich eine Bekanntschaft entwickelt, in der man sich grüßt, ein paar Floskeln wechselt und dann eben einen Geldschein gibt. So gibt es beispielsweise Parkplatzeinweiser, die den ganzen Tag mit einer Trillerpfeife im Mund auf öffentlichen Parkplätzen stehen, um die Autofahrer einzuweisen und so ein paar Pesos zu verdienen.
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| "Parkplatzpfeifer" Augustin |
Augustin ist einer von ihnen: Er ist bereits über 70 Jahre alt, hat keine Rente, ist auf den Verdienst angewiesen. Er hat eine taube Hand, die in einem schwarzen Handschuh steckt, und er kann nicht sprechen. Da ich diese Menschen aber gerne namentlich grüße, hat er mir eines Tages seinen Ausweis hingehalten, wo ich seinen Namen ablesen konnte. Dieser alte Mann freut sich unwahrscheinlich, wenn ich, eine "reiche" Ausländerin, seinen Namen rufe und ein paar Worte mit ihm wechsle.
Ein anderer armer Mexikaner, der uns ebenfalls in all den Jahren begleitet, ist Angel. Dieser alte Mann lebt davon, an der Straße Luftballons für Kinder zu verkaufen. Hierfür steht er nicht an einem Platz, sondern er läuft durch das ganze Dorf, obwohl er gehbehindert ist und sich nur hinkend mithilfe eines Stocks in einer schrägen Haltung fortbewegen kann. Sobald wir ihn irgendwo sitzend oder liegend entdecken, halten wir an und geben ihm Geld, worüber er sich jedes Mal sehr freut. So geht dies nun schon seit Jahren und die Kinder halten immer Ausschau nach dem "Luftballon-Mann", von dem wir gar keine Luftballons nehmen, dafür aber tiefe Dankbarkeit und ein Lächeln ernten.
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| Unser langjähriger Bekannter Angel |
Diesen Eintrag könnten wir noch lange fortführen! End-los! Wir möchten jedoch an dieser Stelle betonen, dass diese Menschen aus materiel-ler Sicht bzw. aus "Industrie-länder-Sicht" arm sind, doch oftmals in ihrem Herzen mehr Glück und Zufriedenheit tra-gen, als wir erahnen können...